SUPRA - das Festmahl
Das Festmahl - ein deutsch-georgisches Musiktheater
Koproduktion mit der NGO Art Development Georgia
Partner in Georgien: Tbilisi Nodar Dumbadze Professional State Youth Theatre
Partner in Deutschland: Düsseldorf Festival
Was wissen wir schon voneinander? Eigentlich nichts! Georgische Migranten sind in Deutschland eine stille Community.
Viele Deutsche werden den Namen Tiflis kennen, aber schon viel weniger wissen, dass dies die Hauptstadt von Georgien ist. Vielleicht wissen wir noch, dass Stalin und Schewardnadse aus Georgien stammen, oder Berija der Chef des NKWD, aber dann? Gehört Georgien nicht zu Russland?
Seit dem Zusammenbruch des Sowjetreiches kämpft Georgien um Demokratie, Loslösung von Russland und Angliederung an Europa. Seit den 1990er Jahren fliehen Georgier vor den russischen Interventionen. Georgien befindet sich an der Schwelle zu einem neuen Krisenherd „Ukraine“.
Russland ist immer noch der wichtigste Handelspartner und gleichzeitig ihre größte Abhängigkeit. Die sowjetischen Renten sind nichts mehr wert und wer im Alter überleben möchte, muss Kinder im westlichen Ausland haben, am besten in Deutschland.
Für die Deutschen war Georgien im 19. Jahrhundert die extravagante Sommerfrische: Mittelmeerklima am Schwarzen Meer, gigantisch- wilde Bergwelt im Kaukasus, Weltstadtflair in Tbilisi und Handelsexpansion an der Seidenstraße. Die Touristikbranche ist gerade dabei, die noch unverbrauchten Orte für Erlebnistourismus zu erschließen.
Die beiden Autoren unseres Projektes hatten schon Gelegenheit, die Mentalität der jeweils anderen Seite zu studieren: die Spuren der gemeinsamen sozialistischen Vergangenheit, oder Lashas „Literaturexpress“ durch Europa, von deutscher Seite perfekt organisiert, aber ohne Spontanität.
Was denken wir, wenn wir noch jetzt Stalins Devotionalientempel in Gori betrachten? Ist das Geschichtsverdrängung, oder schon gehobenes Volksbewusstsein? Hätten wir die Spuren der DDR selbstbewusster bewahren sollen, oder gar Hitlers Kultstätten?
Wie passen Frauenemanzipation und Homophobie zusammen?
Und wie selbstbewusst sind wir mit unseren Traditionen? Während die Georgier stolz ihre Gesangs- und Tanzbräuche präsentieren, berichten wir eher etwas verschämt von Volkstänzen und Jodeln.
Mit diesem Musiktheaterprojekt, das mit einem deutschen und einem georgischen Künstlerteam auf allen Ebenen kooperiert, wollen wir alles „auf den Tisch“ bringen, was uns eint und was uns unterscheidet.
Wie betrachtet ein georg. Autor heute das Leben in Georgien? Wie denkt eine ostdt. Autorin über das einstige Jugendweihe-Bruderland? Welche Musikeinflüsse finden Komponisten in den Ländern, die beide sehr stolz auf ihre Musiktradition sind.
Nichts ist schöner, als mit Vorurteilen über den anderen herzuziehen und sich mit der Eigendarstellung zu entlarven.
Wir treffen uns an einer großen Tafel. In Georgien wird ein solches Festmahl „Supra“ genannt. Der Zeremonienmeister ist der Tamada, der mit Trinksprüchen die Dramaturgie des Festes und damit unserer Inszenierung steuert.
Wir veranstalten einen lustvollen Wettstreit der Länder, indem die verschiedenen Texte gespielt, rezitiert, kolportiert, persifliert, zur großen Oper hochstilisiert werden. Jede Szene wird mit einem chorischen Vierzeiler kommentiert. Das Publikum wird stimuliert, Partei zu ergreifen, die beste Szene zu küren, oder lauthals mitzusingen.
Je weiter der Abend fortschreitet, umso stärker verschwimmen die Grenzen zwischen den Ensembles, umso melancholischer wird der Abend.